Nach äußerem Schein wird bei der Wiederwahl des 76jährigen Autokraten Suharto im Lande alles im Lot sein

"In Jakarta wird mit Waffengewalt die Ruhe erzwungen"

35000 Soldaten sollen während der Sitzung der "Beratenden Volksversammlung" die Bürger in Schach halten

Es ist ein gespenstisches Bild. Rund 35000 Soldaten sind in der indonesischen Hauptstadt Jakarta zusammengezogen, um während der am Sonntag beginnenden Sitzung der "Beratenden Volksversammlung" die Ordnung zu sichern, das Heer der Arbeitslosen in Schach zu halten, den Ausbruch der Revolte zu verhindern. In anderen Teilen des Riesenreiches, in Ostjava oder Sulawesi, schlägt längst der Volkszorn in blutigen Haß um, werden chinesische Geschäfte gebrandschatzt und geplündert. In Jakarta aber wird mit Waffengewalt die Ruhe erzwungen. "Hart durchgreifen", lautet der Befehl von oben. Sicherheitshalber bleiben die Schulen geschlossen.

Und wenn der 76jährige Autokrat Suharto am 10 März in einer Scheinwahl dieses Scheinparlaments per Akklamation für eine siebte Amtszeit gekürt wird, dann werden der starrsinnige Alte, seine Hofschranzen und seine milliardenschwere Sippschaft noch einmal so tun, als ob im großen und ganzen alles im Lot wäre. Doch das 200-Millionen-Volk steht am Rande des Chaos, die Wiederwahl des seit 32 Jahren herrschenden Suharto wird nach Ansicht von vielen Beobachtern den Absturz nur beschleunigen.

"Nur eine weitsichtige politische Führung kann die Katastrophe noch abwenden", schreibt der "Economist", den die Endzeit Suhartos, der fast schicksalhafte Weg in den Untergang, an eine "griechische Tragödie" erinnert. Die Wahl ist noch nicht vollzogen, da lautet die meistgestellte Frage schon: Wie lange werden sich Suharto und der designierte neue Vizepräsident B.J.Habibie noch halten können? Daß Habibie seinen Ziehvater tatsächlich beerben könnte, wird von den meisten ausgeschlossen. "Am Tag, an dem Suharto abtritt, wird auch Habibie verschwinden", sagt ein Landeskenner

Indonesien steckt in der tiefsten Krise seit 1965, als Suharto den Republikgründer Sukarno absetzte. Etwa 500 000 Menschen, vor allem Chinesen, ließen damals ihr Leben. Doch seitdem hat der unumschränkt herrschende Bauernsohn aus Java, bei meist leiser Kritik an Menschenrechtsverletzungen, Korruption und Vetternwirtschaft, vor allem im Westen viel Anerkennung geerntet. Die Zahl der Armen ging rasant zurück, lobte die Weltbank, die Wirtschaft wuchs jedes Jahr zweistellig, freuten sich ausländische Banken und Investoren.

Doch mit dem Ausbruch der Turbulenzen an den Aktien- und Devisenmärkten in Südostasien im Sommer 1997 geriet auch Indonesien in den Strudel der Krise. Die Landeswährung Rupiah verlor mehr als alle anderen, bis zu 80 Prozent ihres Wertes zum US-Dollar. Die gigantischen Auslandsschulden, geschätzt auf etwa 140 Milliarden Dollar, wurden Indonesien zum Verhängnis. Der Internationale Währungsfonds IWF verordnete für sein Kreditpaket von 43 Milliarden Dollar die Schließung von maroden Banken, die Reform des Finanzsystems und die Aufhebung der Monopole, aus denen sich Suhartos Kinder und Freunde bedienten.

Zumindest zum Teil hat IWF damit die sozialen Folgen der Krise noch verschlimmert. Der Preis für Reis, Zucker und Speiseöl stieg um das Dreifache, gleichzeitig verloren Millionen ihren Arbeitsplatz. Arzneimittel und Milchpulver werden knapp. Panikkäufe, Überfälle auf Geschäfte, ein rasanter Anstieg der Kriminalität sind die Folgen. Zum Entsetzen der meisten Experten suchte Suharto zuletzt Zuflucht bei einem Guru: Er entließ seinen respektierten Zentralbankchef, um nach dem Rat des umstrittenen US-Professors Steve Hanke die feste Dollarbindung der schwindsüchtigen Rupiah zu betreiben.

Ein Ausweg der Krise? Es bleibt wohl nur das Militär, meinen westliche Diplomaten und Wirtschaftsexperten. Die Frage ist nur, was noch geschehen muß, um das Eingreifen der Streitkräfte auszulösen. Gerade hat Suharto die Militärspitze neu besetzt, ausschließlich mit engen Getreuen. Neuer Kommandeur wurde General Wiranto(50), früher persönlicher Adjudant des Präsidenten. Ihm wird politisches Geschick nachgesagt. Doch noch ist er Suharto treu ergeben.


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