Waigel setzt die falschen Zeichen
Die bundesdeutsche Politik fällt dem IWF in den Rücken - das Gebot der Stunde wäre ein beherztes Einschreiten gegen
Menschenrechtsverletzungen, Korruption und Vetternwirtschaft
Finanzminister Theo Waigel übte bei seinem gestrigen Besuch des
angeschlagenen indonesischen Diktators Suharto nur halbherzige
Kritik an dessen Finanzpolitik. Ungeachtet der offenkundigen
Weigerung Suhartos, in dem von Korruption und Vetternwirtschaft
geprägten Land politische und wirtschaftliche Reformen
durchzuführen, versprach Waigel der indonesischen Regierung weitere Finanzhilfen durch die Bundesrepublik.
Der künftige Vizepräsident Habibie - the "german boy"
Folgerichtig ließ die vor wenigen Tagen erfolgte trotzige
Ankündigung Suhartos, Habibie im März zum Vizepräsidenten zu
machen, den Kurs der indonesischen Währung auf ein neues
Zwischentief fallen. Die internationale Finanzwelt sieht in
Habibie - neben dem Präsidenten selbst - einen der wichtigsten
Repräsentanten der wirtschaftlichen und politischen Strukturen,
die als Ursache der schweren Wirtschaftskrise gewertet werden.
Sollten die bisherigen militärischen oder zivilen Eliten an der
Macht bleiben, wird sich an diesen Strukturen nichts Grundlegendes ändern. Doch wie es scheint, räumt die Bundesregierung den eigenen nationalen Interessen, nämlich den guten Wirtschaftskontakten zu ebendiesen Eliten, eine höhere Priorität ein als dem Stabilitätsdenken von Gremien wie dem internationalen Währungsfonds, an dem sie nicht unwesentlich beteiligt ist.
Ethnische Chinesen werden zu Sündenböcken gemacht
Zunehmende Repression
Die Repressionensmaßnahmen der Regierung richten sich nicht
nur gegen politische Gegner. Der diese Woche zum
Oberbefehlshaber der Streitkräfte beförderte General Wiranto
warnte, gegen die Hortung von Nahrungsmitteln könne das Anti -
Subversionsgesetz angewandt werden, auf das im Höchstfall die
Todesstrafe steht. Die inzwischen alltäglich gewordenen
gewaltsamen Übergriffe auf die chinesisch-stämmige
Bevölkerungsgruppe wurden dagegen bislang nicht offiziell
problematisiert.
Politische Reformen sind Voraussetzung für Wiederaufschwung
Unter der Last finanzieller Verluste bemüht sich die internationale Gemeinschaft nun vorrangig um die wirtschaftliche Stabilität Indonesiens, um zu retten, was zu retten ist. Während der IWF und die USA dabei mit der Maßgabe, die monopolistischen
Wirtschaftsstrukturen zu brechen und mehr Transparenz zu schaffen, eher auf eine temporäre Unterstützung des alten Regimes setzen, scheinen Theo Waigel und die Bundesregierung auf die dauerhafte Fortsetzung der guten Beziehungen zu Suharto und Habibie zu bauen.
Auf der Strecke bleibt bei dieser Strategie die Einsicht, daß die
Ursachen der Wirtschaftskrise eher politischer als rein
ökonomischer Art sind. Die politischen Strukturen und insbesondere das Versagen der Kontrolle der Exekutive hat nicht nur Monopolbildungen, Korruption und Vetternwirtschaft sondern auch Menschenrechtsverletzungen und immense Demokratiedefizite möglich gemacht. Die Taktik der Lippenbekenntnisse und Scheinzugeständnisse der indonesischen Regierung funktioniert bis heute in der Menschenrechtspolitik Indonesiens und - wie sich jüngst zeigte - auch in der Wirtschaftspolitik, mit Auswirkungen auf die gesamte Region und weit darüberhinaus.
Deutschland und die internationale Gemeinschaft sollten endlich
erkennen, daß es - auch im eigenen Interesse - ihre Aufgabe sein
muß, einen Anteil zu leisten für den Schutz und die Wahrung der
Menschenrechte, den sozialen Ausgleich und einen grundlegenden
Aufbau demokratischer Strukturen unter einer neuen Regierung
Indonesiens. Dazu gehören auch die Aufarbeitung früherer
Menschenrechtsverletzungen und das Anliegen der Selbstbestimmung
Osttimors.
Waigels Besuch hat hier die falschen Zeichen gesetzt. Die Rechnung werden die unter Mangel und Repression leidende indonesische Bevölkerung sowie nichtzuletzt die deutschen Steuerzahler zu begleichen haben.
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